Wie digital ist Deutschland?

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Rainer Bomba (Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur)/ LWL Portal

Rainer Bomba (Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur)

Pdiumsdiskussion auf dem VATM-Tele-Kompass/ LWL Portal

Pdiumsdiskussion auf dem VATM-Tele-Kompass

Ein Bericht des LWL Portals vom VATM-Tele-Kompass am 26.02.2015

Highspeed-Breitband werde in Deutschland noch zu wenig genutzt - dabei seien es gerade dadurch ermöglichte Dienste wie E-Government oder der sich verändernde Medienkonsum (Bsp.: IPTV), die auch den weiteren Ausbau von Breitbandnetzen beflügeln könnten - Das berühmte Henne-Ei-Problem! Auf dem VATM-Tele-Kompass wurde am 26.02. genau darüber diskutiert.

Rainer Bomba (Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur) sagte in seiner Eröffnungs-Keynote, Deutschland sei fortschrittlicher als man momentan annehme - sowohl bei der Digitalisierung als auch z.B. bei der Elektromobilität. Er empfahl jedoch, bei Investitionen nicht kurzfristig zu denken - langfristig würden für die Technologien der Zukunft auch Übertragungsraten von 50 Mbit/ bei weitem nicht ausreichen.

Da die meisten Kunden jedoch nicht in solch langen Zeiträumen denken, sei es Aufgabe der Anbieter, ihnen den Mehrwert, der sich durch die Nutzung von Glasfasernetzen bietet, klar aufzuzeigen. Die Erreichung des Breitbandziels der Bundesregierung sei schließlich "nur mit Glasfaser" möglich, so Bomba weiter.

Die anschließende Paneldiskussion sollte einen Blick auf die Digitalisierung in anderen Ländern werfen.

Estland praktiziert E-Government: Einkommensteuer und Wahl per Smartphone

Estlands Regierung arbeitet mit Hilfe einer breiten E-Government-Offensive mittlerweile komplett papierlos, erzählte Siret Schutting (e-Estonia Showroom)  - alle parlamentarischen Entscheidungen würden mit Smartphones oder Tablets getroffen. 3.000 Dienste wurden für Estlands Bürger digitalisiert (Eine Übersicht finden Sie unter https://e-estonia.com/components/), E-Voting findet breiten Anklang - dies wäre gerade für ältere Menschen ein wichtiger Schritt, da es für sie besonders beschwerlich sei, bei winterlichen Temperaturen von bis zu -30°Grad das Wahlbüro aufzusuchen. Um die Hemmschwelle für die Nutzung der neuen Dienste herabzusetzen, sollte die Bedienung sicher, aber so einfach wie möglich gestaltet werden. Dass die Bereitschaft der Bürger zur Nutzung der E-Government Dienste so hoch ist, begründete Schutting damit, dass die Regierung nicht versucht habe, den Bürgern die Dienste aufzuzwingen, sondern den Mehrwert einfach deutlich machte und so die Menschen überzeugte. Zusätzlich versuche man, die Datenspeicherung und- Weiternutzung der Bürger so transparent wie möglich zu gestalten. So kann man als Nutzer erkennen, wer von der Verwaltung die Daten gesehen hat und weiterbearbeitet. Die Daten der Bürger sollen schließlich bei den Bürgern bleiben, nicht bei der Regierung.

Schweizer Markt: Replay Funktion bei IPTV Diensten als Treiber - auch in Deutschland möglich?

Einen Blick auf die Schweiz lieferte Guido Tranel von der Swisscom. Den Kunden sei es wichtig, alles aus einer Hand zu bekommen, gerade auch ein IPTV Produkt gehöre zu den Diensten eines Netzbetreibers unbedingt dazu und treibe letztlich auch die Nachfrage nach Glasfaserprodukten voran. Dabei sei vor allem die Replay-Funktion der entscheidende Faktor gewesen, um Kunden von der Nutzung von IPTV Diensten zu überzeugen. Damit kann per integriertem Cloud-Dienst das gesamte TV Programm bis zu 7 Tage zurück angesehen werden, der Kunde werde damit zu seinem eigenen Programmchef - das habe schließlich überzeugt. Bei der Entwicklung der Dienste sei das lockere Urheberrecht in der Schweiz hilfreich gewesen, das es jedem erlaube, eine Privatkopie zu besitzen, unddie Tatsache, dass es nur eine einzige Aufsichtsstelle in der Schweiz gibt, die die Urheberrechte für TV-Inhalte verwaltet - SUISSIMAGE - so musste nicht mit jedem TV Sender einzeln verhandelt werden. Replay Services, die noch bis vor 5 Jahren unbekannt waren, werden mittlerweile von jedem 3. Schweizer genutzt.

Auch Hans Kühberger (Ocilion IPTV Technologies) bestätigte, dass die Replay Funktion als Alleinstellungsmerkmal geeignet ist, den Kunden den Mehrwert von IPTV gegenüber "normalen" Fernsehen eindeutig aufzuzeigen, und, wie Kühberger passend formuliert: zum "attraktiven Super-Will-Haben-Dienst" werden lässt.

USA als Vorbild beim Breitbandausbau? "That would be a serious mistake!"

Dr. Ben Scott (Programmdirektor Europäische Digitale Agenda, Stiftung Neue Verantwortung) betonte deutlich, dass die USA keineswegs als Vorbild für Breitbandausbau gesehen werden sollten. Die USA seien eher ein Beispiel, wie man es bloß nicht machen solle. Durch das dort entstandene Oligopol sei der Breitbandausbau ins Stocken geraten. Die Kunden haben, wenn überhaupt, nur wenig Auswahl bei der Wahl des Netzbetreibers und müssen dadurch immense Preise hinnehmen: seit 2009 seien diese um ganze 60% gestiegen. Dr. Scott sagte, dass sich Deutschland momentan am Scheideweg befinde: entweder schaffen wir ein Oligopol wie in den USA oder einen Wettbewerber-Markt. Er plädierte klar für den zweiten Weg und warnte davor, dass es, sollte die Wahl auf Ersteres fallen, keinen Weg zurück gäbe. Die USA kämpften immer noch mit den Folgen der Entscheidung der Bush-Regierung im Jahr 2000, die sich damals gegen einen Wettbewerber-Markt aussprach. Wichtig sei jedoch, so Dr. Scott, dass Breitbandzugänge bezahlbar sein müssen und so von der breiten Masse genutzt werden können: "Availability is not the goal, adoption is the goal."

Bomba befürworte die Einwände und sagte, dass Deutschland kein Monopol brauche. Momentan finden bis zum Sommer in allen Bundesländern Regionalkonferenzen statt um Kommunen zu ermöglichen aus Best-Practice-Fällen voneinander zu lernen und den Breitbandausbau voranzubringen.