Kafka’s Tagebuch: Bericht zum Austrian FiberSummit 2023, Teil 2/2

News aus dem Portal

Gerhard Kafka

Unser Autor Gerhard Kafka arbeitet als freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München.

 

Vorzeigeland Salzburg

Mit einem Gedankenexperiment begann Ing. Fabian Prudky, Breitbandkoordinator des Landes Salzburg seinen Vortrag: „Je dichter besiedelt, desto geringere Kosten je Objekt.“ Aber entscheidend ist die Berücksichtigung des Dauersiedlungsraumes! Prudky setzte fort: „Je weniger Einwohner pro besiedelten km², desto größere Herausforderung im Ausbau.“ Und die vom Bund bereitgestellten „Breitbandmilliarden“ würden den Ausbau von Glasfasernetzen in ländlichen Gebieten beschleunigen. In den insgesamt 119 Gemeinden Salzburgs leben 249.000 Haushalte. Diese sind laut Breitbandbüro wie folgt mit Breitband versorgt: 99 % mit NGA (≥ 30 Mbit/s), 95 % Ultraschnell (≥ 100 Mbit/s) und 92 % Gigabitfähig (≥ 1.000 Mbit/s).

Die Breitbandstrategie und die politischen Ziele der österreichischen Bundesregierung erläuterte DI Peter Eichinger, Leiter Telekom Technik, Salzburg AG für Energie, Verkehr und Telekommunikation. Der Masterplan enthält folgende Zeithorizonte:

  • Bis Ende 2020 ein flächendeckendes Angebot von ultraschnellen Breitbandanschlüssen mit 30 bzw. 100 Mbit/s
  • Bis Ende 2025 ein landesweites Angebot von gigabitfähigen Anschlüssen
  • Bis Ende 2030 die flächendeckende Versorgung mit gigabitfähigen Anschlüssen.

In Österreich kommt der auf Kupfer basierenden xDSL-Technologie sowie der Koaxialkabel-Technologie große Bedeutung zu. Neben diesen Technologien ist der sehr hohe Versorgungsgrad mit der Fixed Wireless Access (FWA)/LTE-Technologie im Bundesland Salzburg zu erwähnen.

Die Salzburg AG setzt hier die in der Frequenzversteigerung des 3,4 - 3,8 GHz Bandes erworbenen regionalen Frequenzen ein. Ebenso sind die potenziell versorgbaren Anschlüsse von Salzburg in den Technologien FTTH- und Koaxialnetze überwiegend der Salzburg AG zuzurechnen.

Weil der Datenverkehr alle zwei Jahre um 100 % wächst soll die aktuell vorhandene Breitbandinfrastruktur der Salzburg AG zügig erweitert werden: die mehr als 8.300 km Koaxialkabel um 450 km, die mehr als 5.000 km Glasfaserkabel um 1.000 km und die 250 Funkstandorte um weitere 5. Für FWA-Dienste wird überwiegend die WiMAX-Technologie eingesetzt. Mit einer VHCN-Abdeckung (very high capacity network) von 89 % liegt das Land Salzburg noch vor dem EU-Durchschnitt von 75 % und weit über dem Wert von Gesamt-Österreich mit 55 %.

 

Blick nach Europa und in die Schweiz

Nach einer kurzen Schilderung der aktuellen Probleme beim Glasfaserausbau in Deutschland beleuchtete Dr. Frederic Ufer, Geschäftsführer, VATM den angekündigten Gigabit Infrastructure Act (GIA) der Europäischen Kommission. Diese neue Verordnung soll den Netzausbau beschleunigen. Als Nachfolger der EU-Kostensenkungsrichtlinie soll der GIA die Mitnutzung vorhandener Infrastrukturen beim Netzausbau neu regeln, den Ablauf von Genehmigungsverfahren beschleunigen, die Koordinierung von Baustellen ermöglichen und den Inhaus-Glasfaserausbau vorantreiben.

Das erklärte Ziel der EU-Kommission für Europa lautet bekanntlich: Gigabit für alle in Europa bis zum Jahr 2030. Um das zu erreichen wurden bereits u.a. folgende relevante Legislativverfahren auf den Weg gebracht:

  • EU-Zugangsempfehlung (Ende 2023) 
  • Thierry Breton – White Paper zur Vision der TK-Infrastruktur in Europa (Q1 2024)
  • DSGVO Novelle (bis Ende 2024)
  • NIS-2 Richtlinie (umzusetzen bis 17.10.2024)
  • Cyber Resilience Act (CRA) für Produkte mit Digitalkomponente (Hardware und Software) (2024) 
  • Evaluierung und Bearbeitung des TK-Kodex/EECC (2025).

Ufer ist überzeugt: „Die GIA-Verordnung wird sicher Verbesserungen mit sich bringen, aber auch Probleme verursachen.“ Z.B. durch die Mitnutzung bestehender physischer Infrastrukturen oder die Offenlegung von Mindestinformationen hinsichtlich Bauarbeiten würden Ausbauprojekte unrentabel und strategische Angriffe durch marktmächtige Unternehmen gefördert.

Fredy Künzler, CEO Init7 AG berichtete humorvoll, wie der unabhängige Schweizer Internet Service Provider den Glasfaserstreit mit der Swisscom gewonnen hat. Init7 betreibt neben den drei großen Marktteilnehmern eine schweizweite Infrastruktur. Zurzeit sind etwa 200 PoPs live und über 100 neue PoPs im Bau. Künzler schilderte detailliert die Hintergründe und Perspektiven der Entscheidung, ob der Glasfaserausbau in der Schweiz als Point-to-Point oder Point-to-Multipoint Netzwerk erfolgen soll.

Es begann 2008 mit einem positiven Auftakt, weil sich alle Stakeholder wie EVUs, Service Provider und Swisscom auf einen Standard geeinigt haben: Das 4-Faser-Modell für jeden Haushalt (Open Access auf Layer 1) und eine P2P-Netztopologie. 2014 entscheidet sich Swisscom aber für FTTS (Fiber to the Street) in Kombination mit G.fast. Und 2020 kündigt sie an, bis 2025 1,5 Mio. Haushalte mit FTTH zu versorgen. Allerdings mit einer neuen P2MP-Netztopologie und PON. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom September 2021, welches diese Architektur als unrechtmäßig verurteilt wird von Swisscom angefochten. Nachdem aber das Bundesgericht 2022 die Urteile der Vorinstanzen bestätigt hatte, lenkte Swisscom ein und hält sich nun wieder an den vereinbarten Standard des runden Tisches. Für die insgesamt 600.000 illegal gebauten FTTH-Anschlüsse muss Swisscom noch mit einer Bußgeldzahlung rechnen. P2MP ist damit in der Schweiz endgültig Geschichte. Legal ist nur noch Open Access mit vier Fasern, wovon mindestens eine durchgehend in die Ortzentrale geführt werden muss.

 

Aus der Arbeit der OFAA

Open Fiber Austria steht für: Neutral, herstellerunabhängig, innovativ und engagiert. Die Mitglieder sind Experten am Puls der Zeit und sehen sich als Vorreiter für offene Netze in Österreich und Europa. Die OFAA fokussiert sich auf die technische Umsetzung von offenen Schnittstellen und Prozessen von Glasfasernetzen. Es wird eine technische Plattform geschaffen, die mit minimalen Standards und Empfehlungen allen Stakeholdern österreichweit eine einheitliche und erfolgreiche Lösung bietet. Auf dem FiberSummit wurde ein Positionspapier zum Glasfaserausbau in Österreich ausgelegt. Darin sind 10 Punkte für Österreichs digitale Zukunft aufgeführt:

  • Glasfaser ist eine kritische Infrastruktur
  • Glasfaser ist nachhaltig, technologieneutral und zukunftssicher
  • Women in Fiber
  • Glasfaser benötigt öffentliche Unterstützung
  • Kooperationen im Ausbau erwünscht
  • Flächendeckender Glasfaserausbau ist wichtig
  • Offene Netze ermöglichen einen diskriminierungsfreien Zugang
  • Standardisierung vereinfacht die Nutzung
  • Einheitliche Kennzeichnung durch Open Access ID (OAID)
  • Dritte Breitbandmilliarde ist notwendig.

Die Glasfaserkennzeichnung ist bereits Realität. Die von der OFAA erarbeitete OAID ist eine eindeutige, standardisierte 8-stellige Buchstaben-Zahlen-Kombination, die den Glasfaseranschluss beim Endkunden kennzeichnet. Sie bietet Vorteile für alle beteiligten Player am Glasfasermarkt. Z.B. durch einfache Kommunikation, unkomplizierte Abrechnung zwischen den Stakeholdern und reduzierte operative Kosten für alle Beteiligten. Die wichtigen Eigenschaften lassen sich wie folgt zusammenfassen:

  • Die OAID ermöglicht eine eindeutige und standardisierte Kennzeichnung des Glasfaseranschlusses – in Österreich und Europa
  • Die OAID ist eine Zahlen- und Ziffernkombination, die kurz, leicht und sicher zu kommunizieren ist. Vor allem ist sie unverwechselbar!
  • Die OAID ist „ortsfest“. Sie ist physisch verbunden mit dem Endpunkt. Sie wird auf Lebenszeit der Objekte und Leitungen (Gebäude, Häuser) vergeben. Sie ändert sich nie, auch wenn sich die Adresse ändert
  • Sie ist „neutral“ und damit an keinen Hersteller gebunden
  • Die OAID ist DSGV-konform
  • Die OAID ist die Basis für die Vermarktung von Glasfaserstrecken (dark fiber).
  • Das „Ziehen“ der OAID ist zu 100% automatisiert – ein exklusives Angebot der OFAA.

Eine Weiterentwicklung der OAID für den In-House Bereich (NE 4 und 5) ist bereits in Arbeit.

 

Das nächste Austrian Fiber Summit ist für den 23. und 24. Oktober 2024 in Graz geplant.