Deutsche-Glasfaser-CEO Uwe Nickl über den Breitbandausbau und Investoren

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"Nette kleine Zahl mit einem Körnchen Wahrheit" -  Deutsche-Glasfaser-CEO Uwe Nickl über den Breitbandausbau und Investoren

Wenn es um FTTH geht, führt kein Weg an der Deutschen Glasfaser vorbei. CEO Uwe Nickl und sein Team haben sich nicht nur den Respekt der Branche verdient, sie ziehen auch die Aufmerksamkeit der Investoren auf sich. Im Interview mit MediaLABcom erklärt Nickl, welche strategischen Ziele die Deutsche Glasfaser verfolgt, was die Telekom hätte besser machen können und warum die Frage, ob man auf Vectoring verzichten kann, gar nicht so einfach zu beantworten ist.

MediaLABcom: Herr Nickl, auf der ANGA COM 2019 in Köln nannte sie Vodafone-Deutschland-CEO Hannes Ametsreiter den ungekrönten Glasfaserkönig von Deutschland. Hat er Recht?

Uwe Nickl: Ob er Recht hat oder nicht, wird sicherlich die Zukunft zeigen. Viel wichtiger an dieser Aussage ist mir die damit verbundene Wertschätzung für unsere Arbeit bei Deutsche Glasfaser – und vor allem für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

MediaLABcom: Wie hat sich Ihr „Königreich“ seit dem Markteintritt im Jahr 2012 verändert? Hat der Glasfaserausbau an Dynamik zugelegt?

Uwe Nickl: Ich erkenne es kaum wieder. Nicht nur wir, sondern auch andere Marktteilnehmer haben einen richtigen Spurt hingelegt. Die Ausbaumengen wachsen jedes Jahr, damit wächst die Anzahl erschlossener Haushalte überproportional. Weil wir aber von Null kommen, macht sich das in manchen Regionen noch nicht bemerkbar. Aber kommen Sie doch mal an den Niederrhein oder ins Münsterland. Für viele Bürgerinnen und Bürger da ist ein hochperformanter richtiger Glasfaseranschluss inzwischen ganz normaler Teil des Lebens.

Die Akzeptanz und das Verständnis für die Notwendigkeit von Glasfaser bei den Bürgerinnen und Bürgern ist gerade in den ländlicher geprägten Regionen gewachsen. Natürlich müssen und werden wir in unseren lokalen Informationsveranstaltungen die Glasfaser immer noch erklären, aber das Interesse verschiebt sich schon stärker auf Themen der Realisierung. Wie der Bau denn abläuft und was man als Kunde beachten muss.

MediaLABcom: Was ist mit der Zeit einfacher geworden, was müsste einfacher werden?

Uwe Nickl: Einfacher werden muss die bürokratische Belastung – nicht nur für uns und die für uns ausbauenden Unternehmen. Auch die örtlichen und regionalen Verwaltungen sind ja vielfach an Regelungen gebunden, aus denen sie sich nicht mal so einfach lösen können – auch wenn sie dies gerne tun würden und Anträgen auf Bau schneller stattgeben möchten. Ein großflächiger Glasfaserausbau in einer Gemeinde ist immer ein gemeinsamer Kraftakt von ausbauendem Unternehmen und der örtlichen und regionalen Verwaltung. Schließlich muss zum Anschluss der Gebäude auch neben fast jeder Fahrbahn der Bürgersteig geöffnet und Rohre verlegt werden. Eine solche Masse an Anträgen und auch an dann notwendigen Inaugenscheinnahmen der wiederhergestellten Oberflächen ist in den letzten Jahrzehnten nicht aufgetreten und wird auch in den nächsten Jahrzehnten nicht wieder auftreten. Da können die Kommunen gut Unterstützung gebrauchen.

MediaLABcom: Dirk Wössner, Vorstandsmitglied der Deutschen Telekom, sagte Ende August 2019, man hätte im Rahmen des Breitbandausbaus nur 20 Prozent der 30 Millionen Haushalte, die nun über Vectoring angeschlossen sind, mit FTTH versorgen können. War oder ist Vectoring also notwendig, um schnelles Internet auszurollen?

Uwe Nickl:
Auf diese Frage erwarten Sie von einem in der Wolle gefärbten FTTH-Ausbauer natürlich ein „Nein!“. Aber so einfach ist es nicht. Ein Vectoring-Ausbau kann aufgrund des schnelleren Ausbautempos natürlich einen größeren Teil der Bevölkerung erst einmal auf eine etwas höhere Bandbreitenschwelle heben. Das kann man nicht abstreiten. Auf der anderen Seite hat dieser Ausbau natürlich den Glasfaserausbau massiv verzögert. Zum einen, weil die Telekom seit 2006 ihre Ressourcen, Planungs- und Baukapazitäten darauf fokussiert hat. Hätte sie spätestens ab 2006 auch mit den überschüssigen Einnahmen aus der Vermietung der bestehenden Kupfer-TAL den echten Glasfaserausbau vorangetrieben, wären wir heute bei mehr als 20 Prozent. Schließlich wird immer wieder gerne vergessen, dass über Wettbewerb auch Innovations- und Investitionsdynamik entsteht und wir so in der Lernkurve im Bau, bei Verfahren und Prozessen für die Glasfaserverlegung viel weiter wären. Zum anderen sehen sich viele ausbauwillige Unternehmen hauptsächlich im städtischen Umfeld nun der Konkurrenz aus Vectoring-VDSL und hochbitratigen HFC-Netzen ausgesetzt, was dort die Penetrationserwartungen dämpft und damit die Ausbaugeschwindigkeit. Also sind die 20 Prozent eine nette kleine Zahl mit einem Körnchen Wahrheit, die jedoch einer genaueren Betrachtung nicht standhält.

MediaLABcom: Vor einiger Zeit konnten Sie den 500.000sten Glasfaseranschluss feiern. Wohin soll die Reise gehen, welche Ziele verfolgt die Deutsche Glasfaser?

Uwe Nickl: Unser im Markt schon seit längerem kommuniziertes Ziel sind ca. eine Million FTTH-Anschlüsse. Aktuell sind wir schon bei ca. 750.000 Anschlüssen im baulichen Realisierungsprozess. Wenn ich mal in Ihrem Bild mit der Reise bleibe, dann sehe ich bei einem Ziel 1.000.000 FTTH nur eine Zwischenstation. Unser gesamtes Unternehmen skaliert weiterhin stark, nicht nur im Bau, sondern auch in der Planung, dem Betrieb und im Vertrieb. Ich sehe keinen, der dieses immer mehr beschleunigende Unternehmen abbremsen kann – und noch viel weniger will. Auf den Finanzmärkten werden durch Infrastrukturfonds mehr und mehr Anlagegüter gesucht. Wenn man nun ein für den Investor risikominderndes erprobtes Modell für die Schaffung dieser Infrastrukturen hat, steht einer Erweiterung der ursprünglichen Pläne aus 2015 nicht mehr viel im Wege. Sie sehen, genau kann ich da noch nichts quantifizieren, aber die Reise geht mit zunehmender Geschwindigkeit weiter. Dank vieler Versäumnisse in der Vergangenheit ist das Potenzial für Glasfaser in Deutschland noch riesig.

MediaLABcom: Sie investieren rund 1,5 Milliarden Euro in den Glasfaserausbau. Wie viel davon haben Sie bislang in den FTTH-Ausbau gesteckt und wie viel benötigen Sie noch, um Ihre Ziele zu erreichen?

Uwe Nickl: Die 500.000 sind knapp die Hälfte des ursprünglichen Planes aus 2015, mit den oben genannten 750.000 HP sind auch die Investitionsmittel zu drei Viertel gebunden. Dank der fortschreitenden Skalierung wird der Rest noch schneller gehen. In unseren konkreten Planungen beschäftigen wir uns heute schon mit Potenzialen über den Plan hinaus.

MediaLABcom: Der größte Anteilseigner an der Deutschen Glasfaser ist der Investor KKR. Wird er das benötigte Kapital zur Verfügung stellen?

Uwe Nickl: Das Kapital für den Plan aus 2015 steht ohnehin bereit. Es kann durchaus sein, dass wir noch einmal die Bandbreite unserer originären Investoren erweitern. Auf der Fremdkapitalseite herrschen ähnliche Verhältnisse, wie ich sie oben für langfristig orientierte Infrastrukturinvestoren geschildert habe. Wenn sie ein erprobtes Geschäftsmodell haben, reduzieren sie die Risikoerwartungen der Banken ungemein. Im Ergebnis steht dann ein hohes Interesse vieler Banken, zur Finanzierung dieser Infrastrukturen beizutragen.

MediaLABcom: Laut einem Bericht des Handelsblatts stehen die Deutsche Glasfaser und inexio zum Verkauf. Gibt es bei Ihnen eine Exit-Strategie mit dem Ziel des Verkaufs?

Uwe Nickl: Ernsthaft interessiert hier nur die Frage, wie und mit welchen neuen Ausbauzielen eine Deutsche Glasfaser für den nächsten Abschnitt der Reise ausgestattet wird. Wir haben dazu schon viel Vorarbeit geleistet. Das Geschäftsmodell trägt, das Unternehmen und insbesondere die Baumaschine skaliert. Der FTTB/H-Ausbau wird in Deutschland mehrheitlich von den Wettbewerbern der Deutschen Telekom betrieben. Allerdings ist der Markt zersplittert.

MediaLABcom: Könnte denn aus Ihrer Sicht ein großer FTTB/H-Netzbetreiber den Wettbewerb mit der Telekom beleben und damit den Glasfaserausbau vorantreiben?

Uwe Nickl: Das tun wir doch schon. Und abgesehen davon, hat die Zersplitterung dann ihr Gutes, wenn damit zusätzliche Ressourcen dem Glasfaserausbau zugeführt werden, die große Unternehmen gar nicht nutzen könnten. Über Open Access und die schon am Markt befindlichen Plattformen wie die unseres Partners vitroconnect werden diese Netze dann – realistisch auf mittlere Sicht – dem Gesamtmarkt zur Verfügung stehen. Wir gewinnen jetzt damit Geschwindigkeit im Ausbau und optimieren dann über Open Access, so dass für die Bürgerinnen und Bürger Vielfalt und Wettbewerb trotz der unterschiedlichen passiven Infrastrukturen gewährleistet sind.

MediaLABcom: Unter wessen Dach oder Marke könnte ein solcher Wettbewerber entstehen?

Uwe Nickl: Der Markt wird sich in seinen Strukturen verändern. Voll integrierte flächendeckende Anbieter wird es in der Glasfaserwelt nicht mehr geben. Das, was Sie oben mit Zersplitterung bezeichnet haben, bedeutet auch die Notwendigkeit, auf unterschiedlichste Marktsituationen mit Geschäftsmodellen reagieren zu können. Wir haben die Deutsche Glasfaser dank unserer infrastrukturzentrierten Ausrichtung hier sehr gut aufstellen können. Neben unserem schon fast klassischen – und von vielen aufstrebenden Marktbegleitern gerne kopierten – Endkundengeschäft mit Vorvermarktung inklusive Open Access gehen wir gerne intensive Kooperationsmodelle mit Energieversorgern wie entega ein. Und dann gibt es noch unsere privaten Betreibermodelle. Wir als Deutsche Glasfaser erstellen die passiven Netze – unsere Kernkompetenz – und verpachten diese langfristig an einen Betreiber. Im Geschäftskundenmarkt ist dies aktuell die Vodafone, für Ausbaugebiete im eher ländlichen Raum haben wir ein erstes Modell mit der htp.

MediaLABcom: Sie sind auch Geschäftsführer der BrightBlue GmbH, die als IPTV-Dienstleister aus der Deutschen Glasfaser hervorgegangen ist. Worin unterscheidet sich BrightBlue von anderen Dienstleistern, die ebenfalls White-Label-IPTV-Lösungen anbieten?

Uwe Nickl: BrightBlue kann auf lange Erfahrung als carrier-grade TV-Plattform gerade für FTTH-Netze zurückgreifen. Die Software wurde im eigenen Haus entwickelt und wird dort kontinuierlich weiterentwickelt für den Einsatz in hochperformanten Netzumgebungen.

MediaLABcom: Im B2B-Markt für derartige IPTV-Lösungen sind einige Unternehmen tätig. Denken Sie, dass es hier zu einer Marktkonsolidierung kommen wird; vielleicht im Zuge einer Konsolidierung im FTTB/H-Markt?

Uwe Nickl: Eine Marktkonsolidierung über Unternehmenszukäufe sehen wir nicht. Die Konsolidierung wird vielmehr über die Leistungsfähigkeit der Plattformen gehen.

MediaLABcom: Wie beurteilen Sie den Zusammenschluss von Unitymedia und Vodafone? Wird der neue, bundesweit agierende Kabelnetzbetreiber den Breitbandausbau voranbringen und wenn ja, auf Basis von Docsis 3.1 oder FTTB/H?

Uwe Nickl: Den Zusammenschluss habe ich auch in der Vergangenheit ja schon eher positiv gesehen. Ob das neu entstehende Unternehmen selbst den Ausbau voranbringen wird, sei dahingestellt. Es wird jedoch den Ausbau gerade in ländlichen Räumen voranbringen, weil die einheitliche Marke dort sehr gut auf die entstehenden Netze gehen kann.

MediaLABcom: In Rio Reisers Klassiker „König von Deutschland“ heißt es: „Das alles und noch viel mehr, würd‘ ich machen, wenn ich König von Deutschland wär.“ Was würde der Glasfaserkönig von Deutschland machen, wenn er könnte, wie er wollte, um den FTTB/H-Ausbau zu beschleunigen?

Uwe Nickl: Wissen Sie, auch ein ungekrönter König ist immer nur so gut wie die Kritik, der er sich aussetzen muss. Darum bin ich froh, dass wir bei Deutsche Glasfaser so ein diverses Team aus eher regelkonformen Deutschen und pragmatischen Niederländern haben und uns immer wieder gegenseitig herausfordern. Aber um zu dem inhaltlichen Kern Ihrer Frage zu kommen: Wir brauchen bürokratische Entfesselung für Infrastruktur, Vorrang privater Investitionen und damit Priorisierung der Gebiete mit tatsächlicher Nachfrage sowie schlussendlich massives Vorantreiben von E-Government. Davon wird zusammen mit Vouchern eine massive Sogwirkung für die Nachfrage ausgehen.

MediaLABcom: Vielen Dank für das Gespräch.