Unser Autor Gerhard Kafka arbeitet als freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München.
Das FTTH Council Europe feierte Jubiläum: Die 20. FTTH-Konferenz fand nach 2012 in München in diesem Jahr zum zweiten Mal hier in Deutschland statt. Diesmal in der Hauptstadt Berlin, wo Ende März bereits die ersten Bäume und Sträucher blühten. Als Veranstaltungsort wurde der HUB 27 auf dem Berliner Messegelände mit den angrenzenden Messehallen 1.2 und 25 ausgewählt. Bereits am Vortag der zweitägigen Konferenz konnten die Besucher zwischen 24 Experten-Workshops wählen, mit dem Fokus auf: Glasfaser-Technologie, Investitionstrends, Nachhaltigkeit sowie politische und regulatorische Strategien, um Rollout und Akzeptanz von FTTH zu beschleunigen. Die insgesamt mehr als 3.300 Teilnehmer, 145 Aussteller und 13 Medienpartner, darunter auch das LWL-Portal verliehen der Jubiläumsveranstaltung den gebührenden Rahmen.
Der amtierende FTTH Council Europe Präsident Raf Meersman konnte in seiner Eröffnungsrede zunächst alle bisherigen Präsidenten und Geschäftsführer des Councils auf der Bühne kurz begrüßen. Er erinnerte zunächst an das Gründungsjahr des Councils 2004, in welchem die europäische FTTH-Penetration etwa 1 % betrug. Danach erklärte er die wichtigsten Ziele des Councils für die nächsten 10 bis 20 Jahre:
Von 70 % Abdeckung mit FTTH/B zu 100 %, wobei der Fokus auf der Erschließung von ländlichen Gebieten liegt
Von 35 % Adaptionsrate zu 100 %, wobei die Maximierung der Benutzererfahrung im Vordergrund steht. Gleichzeitig muss die Abschaltung der Kupfernetze vorangetrieben werden
Reduzierung des Kohlenstoff-Fußabdrucks durch innovative Weiterentwicklung der Glasfaser-Technologie bei gleichzeitiger Steigerung der Qualität und Lebensdauer.
Im anschließenden Operators Panel berichteten führende europäische FTTH-Betreiber über die aktuelle Situation, insbesondere mit Blick auf Politik, Technologie, Finanzierung, Implementierung und Vermarktung. Bemerkenswert war der Bericht des ukrainischen Teilnehmers Yuriy Kurmaz, Chief Executive Officer UKRTELECOM JSC, dessen Credo Durchhaltevermögen lautete. Mehr als 800 ISPs gewährleisten in der Ukraine einen ständigen Internetzugang. Täglich müssen Millionen von Cyberattacken abgewehrt werden. Und es wird zunehmend schwieriger, das für einen ständig verfügbaren Betrieb erforderliche qualifizierte Personal zu finden.
Es folgte ein erster Höhepunkt mit der Verleihung von FTTH- Auszeichnungen durch Meersman in den drei Kategorien: Operator Award, Individual Award und Champion of Diversity Award. Den FTTH Operator Award erhielt Open Fiber für deren außerordentlichen Beitrag zur Entwicklung und breit gestreuten Implementierung von FTTH. Der Gewinner des FTTH Individual Award heißt Ian Gordon Fudge, Eigentümer von Fiberdl, in dessen Eigenschaft er tausende Techniker in zahlreichen europäischen Ländern im Bereich Glasfaser weitergebildet hat. Den Champion of Diversity Award gewann Prysmian für den unermüdlichen und vielfältigen Einsatz im Bereich der Glasfaserindustrie.
Erstmals im Rahmen der Konferenz in Berlin wurden die folgenden Auszeichnungen als FTTH Innovation Awards in insgesamt fünf Kategorien vergeben:
Passive Infrastructure Category: BendBright 180 μm Glasfaser von Prysmian Group
Active Infrastructure - Central Network Category: Genexis TrueTalk (PON Autosensing Software) von Genexis
Active Infrastructure - Home Network Category: IOWRT SDK 7.3 von Genexis
Planning, Workflow, Mapping/GIS, AI Software Category: Network Manager Telecom von IQGeo
Installation Equipment, Tools, Test & Measurement Instruments Category: View 8X - AI-Driven, IoT-Connected, GPS-Enabled Fusion Splicer von Inno Instrument
In seiner Keynote berichtete Roberto Viola, Generaldirektor DG CONNECT Europäischen Kommission über die aktuellen Initiativen der EU-Kommission. Mit dem kürzlich veröffentlichten Gigabit Infrastructure Act (GIA) besteht nun ein Rechtsrahmen, der die Umsetzung der Konnektivitätsziele unterstützt. Als wichtigste Punkte nennt diese Rechtsvorschrift: Senkung der unnötig hohen Kosten des Ausbaus der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur, Beschleunigung des Netzausbaus und Erleichterung des Zugangs zur gebäudeinternen physischen Infrastruktur. Viola beleuchtete danach das aktuell vorgestellte Whitepaper “How to master Europe's digital infrastructure needs?” im Detail. Dieses Whitepaper bildete danach den roten Faden für die gesamte FTTH-Konferenz. Darin werden die Herausforderungen analysiert, vor denen Europa derzeit beim Aufbau künftiger Konnektivitätsnetze steht, und es werden mögliche Szenarios vorgestellt, um Investitionen anzureizen, Innovationen zu fördern, die Sicherheit zu erhöhen und einen echten digitalen Binnenmarkt zu verwirklichen. Die Kommission hat eine öffentliche Konsultation zu zwölf im Weißbuch dargelegten Szenarios eingeleitet. Die Konsultation endet am 30. Juni 2024. Viola fasste die EU-Standpunkte zum Glasfaserausbau in drei Punkten zusammen:
Die Kupfer-Abschaltung bis 2030 in ganz Europa
Der Überbau von Glasfasernetzen ist zu vermeiden
Ein Rechtsanspruch auf Netzzugang soll Standard werden.
Mit der Präsentation des FTTH/B Marktpanoramas folgte der nächste Höhepunkt. Roland Montagne, Principal Analyst Broadband und FTTx, Director Business Unit IDATE, dem einzigen Analystenpartner der Veranstaltung erläuterte im Detail die aktuellen Marktzahlen, die globale FTTH/B Rangliste, einen Forecast für die Jahre 2023 bis 2029 sowie den aktualisierten Report über die Entwicklung von FTTH/B in den ländlichen Gebieten. Demnach betrug die Zahl der Homes Passed im September 2023 in EU39 (insgesamt 39 europäische Länder) 244 Millionen. Den größten Zuwachs in absoluten Zahlen verzeichneten UK (+4,7 Mio.), Deutschland (+4,4 Mio.) und Frankreich (+2,5 Mio.). Deutschland ist auch bei den Top 5 der jährlichen Wachstumsraten dabei: Belgien (+43 %), UK (+38 %), Deutschland (+37 %), Serbien (+30 %) und Kroatien (+28 %). Die FTTH/B-Abdeckungsrate in der EU39 beträgt nun 69,9 %. Die Zahl der FTTH/B-Teilnehmer in EU39 erhöhte sich auf 121 Millionen. Somit hat sich die Take-Rate lediglich um 1,1 % im Vergleich zum Vorjahr auf 49,6 % erhöht. Es besteht demnach weiterhin eine große Diskrepanz zwischen Abdeckung (Homes Passed) und tatsächlicher Teilnehmerzahl (Homes Activated). In der globalen Rangliste zählt Deutschland mit einer Penetrationsrate (Teilnehmer geteilt durch Haushalte) von 10 % weiterhin zu den Schlusslichtern und wird in Europa nur von Belgien mit 7,1 % unterboten. Spitzenreiter sind die Vereinigten Arabischen Emirate mit 99,3 %. In Europa liegt jetzt Spanien mit 78,9 % an der Spitze. Mit 24,4 Mio. Haushalten, die noch an die Glasfaser angeschlossen werden müssen liegt Deutschland in dieser Statistik auf Platz 1, gefolgt von UK (+12,9) und Italien (+10,7).
Die nächste FTTH-Konferenz wird in Amsterdam vom 25. bis 27. März 2025 im RAI stattfinden.