Kafka´s Messetagebuch - HANNOVER MESSE 2022, Teil 3/4

News aus dem Portal

Gerhard Kafka arbeitet als freier Fachjournalist für Telekommunikation in Egling bei München.

 

Nokia mit Fokus auf Industrie 4.0 und Klimawandel

Das war doch ein angenehmer Standbesuch bei Nokia: Ein Aussteller mit Pressesprecher vor Ort, der bereits im Vorfeld der Messeplanung einen Standrundgang angeboten hatte. Schnell kam das Gespräch auf das Thema Digitalisierung und Klimawandel. Nokias Standpunkt reflektiert, dass viele Länder den Handlungsbedarf beim Klimawandel erkannt haben und ihre CO2-Emissionen auf null reduzieren wollen. Doch die Umsetzung stockt, so dass die Begrenzung des weltweiten Temperaturanstiegs auf unter 1,5°C gefährdet ist.

Deshalb kann der Energiesektor die Umsetzung zielgerichtet unterstützen. Der Internationalen Energieagentur zufolge würde die heutige Energieinfrastruktur allein schon einen Temperaturanstieg von 1,65 °C verursachen, wenn sie weiter so läuft wie bisher. Der Energiesektor muss den Ausbau CO2-neutraler, erneuerbarer Energien beschleunigen und – das ist entscheidend – gleichzeitig die Netze und Infrastrukturen digitalisieren. Nur so können die Energieversorger die wachsende Menge an dezentral erzeugter und gespeicherter Energie integrieren und gleichzeitig Stromqualität und Zuverlässigkeit zu einem angemessenen Preis sicherstellen.

Das bedeutet aber auch einen Wendepunkt im Netzbetrieb. Der Umstieg auf erneuerbare Energien kann einen tiefgreifenden Wandel einläuten, jedoch nicht für sich allein genommen. Der Schlüssel dazu, das gesamte Potenzial dieses Wandels nutzen, ist die zuverlässige und schnelle Konnektivität. Robuste und leistungsfähige Kommunikationsnetze helfen, mittels Sensoren und Automatisierung Ausfallzeiten zu reduzieren – Stichwort: vorausschauende Wartung. Netze, die große Datenmengen bewältigen können, machen eine bessere Sprach- und Videokommunikation möglich und bilden die Grundlage für den Einsatz von IoT-basierter vorausschauender Wartung. Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe leistungsfähiger Vernetzung Bau und Betrieb von Anlagen an abgelegenen und gefährlichen Standorten – etwa Offshore-Windparks – effizienter und sicherer gestalten.

Heutzutage verfügen die Energieversorger oft über eine gute Kommunikationsanbindung an ihre mittleren bis großen Umspannwerke. Ein Großteil des Ausbaus der erneuerbaren Energien findet jedoch an Orten statt, an denen sie heute nur über begrenzte oder gar keine Konnektivität verfügen. Überall Glasfaser zu verlegen, wäre viel zu langsam und teuer, weshalb Energieversorger alternativ auf LTE/5G-Mobilfunk zurückgreifen sollten. Durch die drahtlose Konnektivität können sie erneuerbare Energiequellen und Speicher verbinden und zusätzliche Geräte dort installieren, wo sie benötigt werden – und das binnen Stunden anstatt Jahre auf eine Glasfaseranbindung zu warten. Das ist ein Wendepunkt im Netzbetrieb.

Campusnetze ermöglichen eine effiziente Versorgung mit erneuerbaren Energien. LTE ist dafür eine Schlüsseltechnologie. In Deutschland stehen lizenzierte Funkfrequenzen für Unternehmen und den Betrieb privater Campusnetze mit LTE und 5G zur Verfügung. Viele Windparks sind bereits mit Glasfaserkabeln angebunden. Private Campusnetze auf LTE-Basis können zum Beispiel die Offshore-Konnektivität verbessern und die Anforderungen abgelegener Standorte effizienter erfüllen. Sie lassen sich mit einem Netzwerk aus Sensoren, Kameras, Cloud-Speichern und Analysetechnologien für die Fernwartung und -steuerung integrieren. Aber auch Wasserversorger können drahtlose Campusnetze nutzen, um ihre Sensoren und Zähler mit Stromversorgern zu verbinden. Schätzungen zufolge gehen zwischen 20 und 30 Prozent des Trinkwassers durch Lecks verloren. Und die International Energy Agency hat errechnet, dass im Jahr 2022 weltweit etwa eine TWh an Energie für die Trinkwassergewinnung verbraucht wird. Das bedeutet, dass durch den effektiven Einsatz von IoT-Technologie bei der Erkennung und Verhinderung von Wasserverlusten im Idealfall jährlich über 300 GWh eingespart werden könnten.

Thomas Hainzel, Growth Europe Nokia fasste den Standbesuch kurz zusammen: „Anhand von Demos zeigen wir, wie private Campusnetze Industrie-4.0-Anwendungen ermöglichen, wie virtuelle Zwillinge dazu beitragen, Produktionsumgebungen zu optimieren, wie intelligente Fabriken und Logistikbetriebe ihr digitales Potenzial ausschöpfen können oder wie autonome Roboter und Fabrikautomation zusammenspielen.“

 

DLR zeigt Technologien zur Dekarbonisierung

Als eine der vielen in Hannover ausstellenden Forschungseinrichtungen stellte das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) Technologien, Innovationen sowie erfolgreiche Transfer- und Ausgründungsprojekte vor. Dazu zählt der aktuell im Aufbau befindliche Forschungspark Windenergie WiValdi (Wind-Validation) Krummendeich. Multimedia-Exponate vermitteln Aufbau und Schwerpunkte der Testanlage und zeigen die Fertigung der Rotorblätter im Hannover Messe-Partnerland Portugal. Diese einmalige Test-Infrastruktur ermöglicht Windenergie-Forschung im Realmaßstab – für das DLR und Partner aus Wissenschaft und Industrie. Das gemeinsame Ziel: Die Windkraft als Pfeiler eines zukunftssicheren und nachhaltigen Energiesystems effizienter, kostengünstiger und leiser zu machen. Anhand eines instrumentierten Rotorblatt-Modells konnten Besucher selbst ausprobieren, welche Kräfte und Effekte auf das Rotorblatt einer Windenergieanlage wirken. Multimedia-Exponate zeigten ferner Daten aus dem Forschungspark, vermittelten Aufbau und Schwerpunkte und gaben einen Einblick in die Fertigung der Rotorblätter beim Industriepartner des DLR im Hannover Messe-Partnerland Portugal.

Weitere Schwerpunkte waren die Dekarbonisierung von Industrieprozessen, mit Exponaten aus den Bereichen solarthermische Kraftwerke und Hochtemperaturwärmepumpen, die Industrialisierung von Wasserstofftechnologien sowie nachhaltige Kraftstoffe für die Luftfahrt. Ebenfalls Teil des DLR-Stands war das Unternehmen ExoMatter, ein Ausgründungsprojekt des DLR zur digitalen Materialsuche, und die DLR-Initiative Quantencomputing. Das Unternehmen ExoMatter digitalisiert die Materialsuche. Grundlage dieser Dienstleistung ist eine Cloud-basierte Plattform, die auch mit Methoden der künstlichen Intelligenz arbeitet. Im Rahmen der DLR-Initiative Quantencomputing sollen innerhalb der nächsten vier Jahre prototypische Quantencomputer unterschiedlicher Architekturen gebaut sowie die damit verbundenen Technologien und Anwendungen entwickelt werden. Der Aufbau eines industriell nachhaltigen Ökosystems und die Umsetzung in wirtschaftlich relevante Anwendungen bilden Schwerpunkte.

„Jeden Tag entstehen am DLR neue Technologien und wertvolles Know-how im Bereich der anwendungsnahen Wissenschaft. Gemeinsam mit Partnern aus der Industrie – von Start-ups über kleine und mittelständische Firmen bis hin zu Global Playern – bringt das DLR diese vom Labor in die Anwendung“, erklärt Prof. Karsten Lemmer, Mitglied des DLR-Vorstands und verantwortlich für Innovation, Transfer und wissenschaftliche Infrastrukturen.

Beeindruckend war die Live Schaltung zum Thema Solarthermie mit Salz zur Erzeugung von kostengünstigem und regelbaren erneuerbarem Strom. Mit der Évora Molten Salt Platform (EMSP) hat das DLR mit der portugiesischen Universität Évora und europäischen Industriepartnern eine einmalige Testanlage in Betrieb genommen. Ihr Ziel ist es, solarthermische Kraftwerke technologisch weiterzuentwickeln und wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu setzen die Partner auf flüssiges Salz als Wärmeträger-Medium statt Thermo-Öl. Der Vorteil von flüssigem Salz: Es ist kostengünstig und ermöglicht höhere Temperaturen. So kann Strom bis zu 20 Prozent günstiger bereitgestellt werden. Eine der bisher wenigen Optionen, um erneuerbare Energie konstant und regelbar bereitzustellen.

Klimafreundlich sind strombasierte flüssige Kraftstoffe – auch E-Fuels oder Power-to-Liquid-Kraftstoffe (PtL) genannt. Um sie herzustellen, kommen Kohlenstoff aus der Luft und Wasserstoff, der mittels Elektrolyse aus erneuerbarem Strom gewonnen wird, zum Einsatz. Zusätzlich zu alternativen Antrieben und weiteren Verbesserungsmöglichkeiten sind strombasierte Kraftstoffe notwendig, um die Klimaschutzziele im Straßenverkehr und der Schifffahrt zu erreichen. Für eine emissionsfreie Luftfahrt sind sie unverzichtbar: Insbesondere auf der Mittel- und Langstrecke gibt es derzeit keine technologischen Alternativen. Mit Partnern aus Industrie und Forschung arbeitet das DLR daran, die Herstellungsverfahren aus dem Labor in einen industriellen Maßstab zu übertragen. Dieses „Hochskalieren“ ist ein elementarer Schritt, um die Technologie fit für den industriellen Einsatz zu machen und die benötigten großen Mengen produzieren zu können.

Die nächste HANNOVER MESSE wird vom 17. bis 21. April 2023 ausgerichtet.

 

Dieser Beitrag erscheint in der Reihe: "BEL2 nachgefragt!". Lesen Sie HIER die weiteren Artikel von Gerhard Kafka!

 

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