Elon Musk: Internet aus dem Weltall statt Glasfaserkabel in der Erde

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Elon Musks Satelliten bringen schnelles Internet in abgelegene Gebiete.

Kabelfernsehen statt Glasfaser: Als Bundeskanzler setzte Helmut Kohl Prioritäten.

Jeder Raketenstart der Falcon 9 bringt 60 neue Starlink-Satelliten ins All.

Im Forst am Böddensell, 167 Kilometer westlich von Berlin, steht die Erde manchmal im richtigen Winkel zur Sonne. Man kann dann die Zukunft beobachten. In klaren Sternennächten ziehen hier wie an einer Perlenkette aufgereiht in Zeitlupe weiße Punkte über die Baumwipfel hinweg. Mit einer Geschwindigkeit von acht Kilometern pro Sekunde jagen die Objekte in 550 Kilometern Entfernung über den dunklen Nachthimmel. Alle 108 Minuten umrunden sie die Erde.

Die Himmelskörper sind keine Ufos, sondern Satelliten. Rund 1000 davon hat Tesla-Gründer Elon Musk mit seinen SpaceX-Raketen in die Erdumlaufbahn geschossen. Insgesamt 12.000 sollen es am Ende werden. Vom Weltraum aus sollen sie den Menschen Internet auf die Erde schicken. Mit seinem Projekt Starlink will Musk bis Ende 2027 den Erdkreis mit einem dichten Netz von Satelliten überziehen. Über den neuen Satellitenanschluss sollen bis zu 150 Mbit/s Bandbreite möglich sein. Gemessen an den Internetgeschwindigkeiten in den meisten Dörfern Sachsen-Anhalts ist das Surfen mit Hochgeschwindigkeit. Starlink will Deutschland ab Mitte 2021 flächendeckend mit Internet aus dem Weltraum versorgen.

In Böddensell, mitten in der Magdeburger Börde, warten die 235 Einwohner des Dorfes lange schon auf einen schnellen Internetanschluss. Nur an wenigen Tagen in der Woche sind die Techniker der Telekom im Wald zu sehen. Zentimeter für Zentimeter wühlen sie sich neben dem alten Plattenweg durch den Sand. Glasfaser soll demnächst kommen, raunen die Menschen in den Dörfern der Gegend.

450.000 Haushalten geht es so wie ihnen. Sie müssen mit 10 Mbit/s oder weniger auskommen. Auch in Berlin-Friedrichshain reicht das Internet selbst in Häusern an großen Straßen manchmal nicht für einen stabilen Zoom-Call aus, während der Mitbewohner Netflix schaut. Paralleles Streamen und Konferieren ist für viele Haushalte in der Hauptstadt der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt nicht möglich. Glasfaser ist die Zukunft, heißt es inzwischen seit Jahrzehnten. Fiber to the home sei wichtig. Stand Mitte 2020 liegt die Quote Im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg laut Breitbandatlas des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur bei ganzen 14 Prozent – in einem Teil Berlins, in dem die Bevölkerungsdichte höher ist als in Hongkong.

Der Breitbandausbau als Tragödie

Seit 40 Jahren ist der Breitbandausbau in Deutschland eine Geschichte des Zögerns. Sascha Lobo beschrieb ihn einmal als BER des Internets. Eine Tragödie, in deren ersten Hauptrollen immer wieder Helmut Kohl und die Deutsche Telekom als Verhinderer auftauchen. Dabei hatte bereits die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmitt 1981 Pläne für einen bundesweiten Breitbandausbau beschlossen. Ein Jahr später legte Helmut Kohl diese Pläne als neuer Kanzler auf Eis und förderte stattdessen das Kabelfernsehen.

In den 1990er Jahren versprach Kohl den Menschen im Osten „blühende Landschaften“. Bald darauf rissen Arbeiter ein erstes Mal die Feld- und Waldwege in Böddensell auf. Nur verlegten sie keine Glasfaser in der Erde, sondern Kupfer und Kabelfernsehen als vermeintlichen Infrastruktur-Segen. Tutti-Frutti statt E-Governance.

Was die Deutsche Post damals begann, sollte später die nunmehr privatisierte Telekom vollenden. 1996 ging die T-Aktie an die Börse. Mit der neuen Telekom entstand ein hybrides Gebilde, weder Staatsunternehmen noch rein marktwirtschaftlich operierender Konzern. Auch heute noch ist der Bund direkt und über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mit insgesamt mehr als 30 Prozent größter Aktionär der Telekom. Insider sagen heute rückblickend, die Telekom-Vorstandsvorsitzenden hätten zu lange und unter Zugzwang ihres Mehrheitsaktionärs Gewinne aus der Kupferkabel-Infrastruktur ausgeschüttet. Kupfer war lange die Cashcow für den Bund und die mit ihm kollaborierenden CEOs der Telekom Ron Sommer, Kai-Uwe Ricke und René Obermann.

Das freute Generationen von Bundeskanzlern, ihre jeweiligen Finanzminister und ihre ausführenden Staatssekretäre. Helmut Kohl und Theo Waigel. Gerhard Schröder und Hans Eichel. Angela Merkel und Wolfgang Schäuble, später Olaf Scholz. Während der meisten Jahre auf demselben Stuhl mit dabei: Werner Gatzer, Staatssekretär im Finanzministerium.

Die vier Apokalyptischen Reiter

Kurzsichtigkeit

Anstatt rechtzeitig in Glasfaser zu investieren, rüstete die Telekom – den Interessen ihrer Aktionäre verpflichtet – ihre veraltete Infrastruktur durch das sogenannte Vectoring immer wieder nach. Im Vergleich zur teuren Glasfaser war das ein „kostenschonendes“ Verfahren, um höhere Bandbreiten zu erzielen, aber auch ein kurzsichtiges. Denn langfristig können nur Glasfasernetze das bewältigen, was an Datenströmen zukünftig zu bewältigen ist. Der Bundesverband Breitbandkommunikation (BREKO) verweist bereits seit zwei Jahren auf die Notwendigkeit von Gigabit-Netzen, mit denen 1000 Mbit/s möglich wären. 2025 werde die durchschnittlich nachgefragte Bandbreite von Unternehmen und Haushalten bei 1000 Mbit/s liegen.

Bürokratie

Wer heute ein Glasfaserkabel in Deutschland verlegen will, braucht einen langen Atem. Das deutsche Vergaberecht ist kompliziert: Soll das Kabel in der Straße verlegt werden, braucht es die Genehmigung der Straßenbaubehörde. Wer durch den Wald oder die Felder von Böddensell – wir erinnern uns, die Magdeburger Börde – ein Kabel verlegen will, braucht die Erlaubnis, Wald- und Wirtschaftswege zu nutzen. Der Landrat, Bürgermeister, Baubehörden, Straßenbaulastträger, Landkreis und Kommune – die Anzahl der Beteiligten für ein vermeintlich simples Unterfangen scheint uferlos. Das neue Telekommunikationsgesetz (TKG) weiß das nur bedingt zu adressieren. Im Landkreis Börde hat der Beauftragte Breitbandmanagement Holger Haupt im Dezernat IV der Stabstelle Breitband trotz TKG-Novelle immer noch viel zu tun (www.giganetz-boerde.de – 503 Service Unavailable, Anm. d. Red.).

Fehlanreize

Richtig anstrengend wird es, wenn der Ausbau durch öffentliche Förderung unterstützt wird: Dann kommt neben dem Bund auch die EU ins Spiel. Zwischen dem vorläufigen Förderbescheid, dem Genehmigungsverfahren und dem eigentlichen Bau, können dann sechs bis sieben Jahre vergehen.

Von vielen Kabelnetzbetreibern wird deshalb zumindest intern auch ein Zuviel an Förderung beklagt, denn die Förderung wird in der Praxis auch dort gewährt, wo sie eigentlich gar nicht notwendig wäre. Das führt zu Mitnahmeeffekten. Wer auf eigene Faust und ohne Förderung baut, hat wirtschaftlich das Nachsehen. So wird der Glasfaserausbau auch dort verzögert, wo Kabelnetzbetreiber ein wirtschaftliches Interesse am Ausbau haben.

Die Monopolkommission – die über die Beteiligungen des Bundes und Wettbewerbsfragen wacht – beklagt, dadurch würden immer wieder Fehlanreize gesetzt. Während vereinzelte Bauernhöfe auf dem Feld an das Glasfasernetz angeschlossen werden, stagniert der Ausbau in größeren Kommunen auf niedrigem Niveau. Die Förderung orientiert sich zu wenig am Massenbedarf, und das ist teuer. Während der Anschluss eines Haushalts an das Glasfasernetz in der Stadt wenige Hundert Euro koste, schlage der Ausbau in der Fläche mit bis zu 20.000 Euro pro Haushalt zu Buche, beklagen immer wieder mit der Materie vertraute Stimmen – bis zu 60 Prozent der Ausbaukosten trägt dabei der Steuerzahler.

Die Telekom als Netzbetreiber ist der Nutznießer dieser überbordenden Struktur. Im vergangenen Jahr machte der Konzern einen Gewinn von 4,1 Milliarden Euro. Dabei hat die Telekom gegenwärtig Schulden in Höhe von 130 Milliarden Euro, bei einem Jahresumsatz für 2020 von 101 Milliarden Euro.

Für den aktuellen Telekom-Vorstandvorsitzenden Timotheus Höttges, seinen Finanzvorstand Christian Illek und die Innovationsvorständin Claudia Nemat hat sich das System des technischen Zauderns gelohnt. Das Kerngeschäft in Deutschland subventioniert Zukäufe in den USA.

Angst

Interessanter als das deutsche Kerngeschäft sind für Höttges indessen die USA. Für den Telekom-CEO ist das Land in Übersee ein interessanter Wachstumsmarkt: Nach zähen Verhandlungen kaufte die Telekom dort den Konkurrenten Sprint für einen zweistelligen Milliardenbetrag. „Die Fusion in den Vereinigten Staaten ist für den Konzern eine historische Weichenstellung“, sagte Höttges nach der Übernahme 2020. In den nächsten Jahren plant die Telekom dort Investitionen in Höhe von 40 Milliarden Dollar. Die Angst im eigenen Land finanziert das Geschäft jenseits des Atlantiks.

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